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Informationen zur Umsatzsteuer auf Sachspenden

Besteuerung von Sachspenden: Aktueller Stand und Handlungsbedarf

Stand April 2021

1. Spenden ist grundsätzlich immer noch teurer als die Entsorgung. Dies gilt insbesondere für neue, einwandfreie Übermengen – die den größten Teil der potentiellen Sachspenden ausmachen.

2. Die höheren Kosten entstehen dadurch, dass Sachspenden als sog. „unentgeltliche Wertabgabe“ wie ein Umsatz zu verbuchen sind und auf die gespendeten Artikel Umsatzsteuer abzuführen ist. Zwar erhalten Spenderunternehmen für eine Spende in der Regel eine Zuwendungsbescheinigung über den Bruttobetrag. Damit können sie den fiktiven Umsatzerlös kompensieren, den Betrag für die Umsatzsteuer aber nur in Höhe ihres (Grenz-)Steuersatzes. Damit bedeutet der nichtabzugsfähige Teil des Umsatzsteuerbetrages (in der Regel ca. 65 %) zahlungswirksame Ausgaben („cash out“), denen keine Einnahmen gegenüberstehen. Die gespendeten Produkte müssen zu einem sog. „fiktiven Wiederbeschaffungspreis“ bewertet werden. Gerade für Hersteller bedeutet dies einen Wertansatz weit über Herstellkosten. Drastisch formuliert: Unternehmen müssen „Geld mitbringen“, um Produkte zu spenden statt zu entsorgen.

3. Möglichkeiten für geringere Wertansätze als den Wiederbeschaffungspreis gibt es inzwischen für

  • Lebensmittel (Wahlrecht zwischen Abschreibung und Wertansatz als Spende)
  • Non-Food-Produkte kurz vor dem Verfallsdatum, Mängeln
  • Retouren, Vorjahreswaren etc.

4. Die innatura wird in ihrer täglichen Arbeit mit diesem Schiefstand konfrontiert. Diese finanzielle (zumeist Mehr-)Belastung für spendenwillige Unternehmen führt in praktischer Konsequenz dazu, dass zwei von drei Unternehmen, die sich bei der innatura nach Spendenmöglichkeiten erkundigen, sich am Ende dennoch entscheiden, die Artikel zu vernichten statt zu entsorgen – die Spende erscheint ihnen zu unsicher und/oder zu teuer. Man möchte – nachvollziehbar – nicht in der Zukunft bei einer Betriebsprüfung um den Wertansatz von Spenden in der Vergangenheit diskutieren und hier möglicherweise noch Umsatzsteuer nachzahlen müssen.

  • Dieser Schiefstand incentiviert also die unnötige Vernichtung von Ressourcen, statt durch eine Spende sozialen Nutzen zu stiften. Damit steht die aktuelle steuerliche Handhabung von Sachspenden im krassen Widerspruch zu ansonsten formulierten Nachhaltigkeitszielen und den Absichten z.B. des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Und sie verhindert, dass noch mehr Unternehmen der innatura Produkte zur Vermittlung anvertrauen und so zusätzlicher sozialer Nutzen gestiftet und unnötiger Abfall vermieden werden kann.

5. Von Beginn ihrer Arbeit an hat sich die innatura für eine faire steuerliche Handhabung von Sachspenden eingesetzt: durch Formulierung des Handlungsbedarfes an das BMF und verschiedene Landesfinanzministerien, durch konsequente Pressearbeit, durch Mobilisierung unserer Spenderunternehmen, aber auch unserer gemeinnützigen Empfängerorganisationen, durch Publikationen (u.a. in der gemeinsamen Initiative mit dem bevh und EY „Spenden statt entsorgen“), die Broschüre gibt es hier.

6. Der BMF hat im Oktober einen Entwurf eines Anwendungserlasses zur Besteuerung von Sachspenden verfasst. In diesem wurde die Möglichkeit geringerer Wertansätze für fehlerhafte und bereits im Umlauf befindliche Produkte (z.B. Retouren) geklärt, aber auch hier keine Verbesserung für die – für den gemeinnützigen Sektor eigentlich am interessantesten – einwandfreien Übermengen. Dieser Anwendungserlass wurde mit den Ländern abgestimmt und am 18. März 2021 an die Obersten Finanzbehörden der Länder verschickt und ist damit gültig.

7. Zahlreiche Verbände wurden um Kommentierung gebeten. Auch innatura, bevh und EY (die ursprünglichen Autoren der Broschüre „Spenden statt entsorgen“) haben eine Kommentierung abgegeben, inklusive Stellungnahmen unserer Spender- und Empfängerorganisationen.

8. Es wird immer auf unionsrechtliche Aspekte verwiesen (Konformität mit der EU-Umsatzsteuer-Systemrichtlinie), die eine Umsatzsteuerbefreiung von Sachspenden verbiete.

  • Dabei liegt mit dem Gutachten von Dr. Wolfram Birkenfeld ein gesetzeskonformer Vorschlag vor, wie Sachspenden zwar steuerbar bleiben, aus Sicht der empfangenden gemeinnützigen Organisation jedoch mit einem Wert von Null zu bewerten sind. Das Gutachten gibt es hier
  • Dieser Vorschlag liegt dem BMF und dem BMU vor, ist bislang – unverständlicherweise – jedoch nicht aufgegriffen worden.
  • Zudem existieren in anderen EU-Ländern Möglichkeiten, richtlinienkonform zu spenden – die Bundesregierung könnte hierzu in Brüssel die Initiative für eine Verbesserung der Spendenmöglichkeit in der gesamten EU ergreifen.

9. Stattdessen schlägt der BMF vor, Produkte gegen einen geringen Betrag zu verkaufen, dieser Vorschlag wird auch von einigen Landesfinanzbehörden schon aufgegriffen. Wir halten diesen Vorschlag für kontraproduktiv aus mehreren Gründen:

  • Dieser Vorgang ist explizit keine Spende, Unternehmen wollen aber ausdrücklich spenden.
  • Es gibt von Seiten der Spenderunternehmen in wettbewerbsintensiven Branchen (Chemie, Konsumgüter, Versandhandel) wettbewerbsrechtliche Bedenken. Der Wettbewerber könnte wegen Preisdumping Anzeige erstatten. Aus diesem Grund hat der VCI für das zweite Halbjahr 2020 eine Ausnahme erwirkt, dass Medizinprodukte umsatzsteuerbefreit gespendet werden durften.
  • Für viele gemeinnützige Organisationen ist der – wenn auch günstige Ankauf – keine Option. Viele (z.B. Tafelläden und Sozialkaufhäuser) haben ein explizites Ankaufverbot, große Empfängerorganisationen wie z.B. das DRK sind explizit auf kostenlose Spenden angewiesen, und der Ankauf von Produkten könnte von Finanzämtern als dem Drittmarkt vergleichbare Aktivitäten bewertet werden (z.B. Restpostenaufkäufer). Für die gemeinnützige innatura, die bundesweit bedarfsgerecht Sachspenden für soziale Zwecke verteilt, würde das die Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit bedeuten.
  • Das gravierendste Argument aus unserer Sicht ist jedoch die damit verbundene Eliminierung der Spende als Akt der gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme. Hier wird eine wichtige gesellschaftliche Koordinate verschoben und auch dieser Bereich der Kommerzialisierung preisgegeben. Die Idee, dem sozialen Sektor durch Geld oder Produkte gleichermaßen zu helfen, wäre damit tot, und das Potential von Sachspenden, gesellschaftliche Teilhabe zu schaffen und zugleich die Umwelt zu entlasten, nicht ausgeschöpft.

10. innatura hat den Appell „#SpendenStattVernichten – Lagerware für den guten Zweck“ der am 24.2.2021 von Katrin Göring-Eckardt in der Bundespressekonferenz vorgestellt wurde, mitgestaltet und unterzeichnet. Der Appell forderte die Bundesregierung auf, das steuerbefreite Spenden der insbesondere durch den Lockdown aufgelaufenen Saisontextilien zu ermöglichen. Im Film unter dem folgenden Link gibt es auch Bilder aus dem innatura-Lager: https://www.gruene-bundestag.de/themen/wirtschaft/spenden-statt-vernichten sowie
https://www.derparitaetische.de/presse/spendenstattvernichten-lagerware-fuer-den-guten-zweck/

11. Das Bundesfinanzministerium verkündete dann am 18. März, dass im Rahmen einer Billigkeitslösung befristet bis 31.12.2021 auf die Umsatzbesteuerung von Sachspenden von Einzelhändlern verzichtet wird, sofern diese von Corona betroffen sind.

  • „Danach wird bei Waren, die von Einzelhändlern, die durch die Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen sind, an steuerbegünstigte Organisationen gespendet werden bzw. gespendet worden sind, auf die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe verzichtet.“
  • Wer und wie die „nicht unerhebliche negative wirtschaftliche“ Betroffenheit nachzuweisen ist und ob sowohl Online- als auch stationäre Einzelhändler gemeint sind, ob auch Filialisten, ist weiterhin ungeklärt. Entsprechend unsicher sind potentielle Spenderunternehmen, die sich vor allem mit möglichen Textilspenden an die innatura wenden.

12. Der Handlungsbedarf für eine rechtssichere Spendenmöglichkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette bleibt bestehen

Trotz dieses zweifelsohne ersten guten Schritts in die richtige Richtung besteht weiterhin der Handlungsbedarf nach einer dauerhauften, rechtssicheren Lösung, die es Unternehmen in jedem Schritt der Wertschöpfungsstufe erlaubt, ohne finanzielle Mehrbelastung Produkte zu spenden statt zu entsorgen.

Die innatura hat kurz vor Ablauf der Frist, bis zu der die Landesfinanzministerien dem Vorschlag zustimmen konnten, am 3. März 2021 abends mit einer Lichtinstallation des Künstlers Oliver Bienkowski diese „einleuchtende“ Forderung auf die Fassade des Bundesfinanzministeriums projiziert.

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Die innatura setzt sich, auch in Zusammenarbeit mit Verbänden, weiterhin auf verschiedenen Ebenen für eine dauerhafte, rechtssichere Lösung ein.

13. Wie können Spenderunternehmen und gemeinnützige Empfängerorganisationen dazu beitragen, dieses Problem zu lösen?

Spenderunternehmen wird empfohlen, niedrige Wertansätze zu wählen und diese im vorhinein mit ihrem Betriebsstättenfinanzamt abzustimmen. Wir wissen, dass viele Finanzämter Spendentätigkeiten grundsätzlich begrüßen und ihren Ermessensspielraum hier nutzen. Wichtig ist, dass der Verbleib der Spende eindeutig dokumentiert ist (entsprechende Zuwendungsbescheinigung; ggf. Verwendungsnachweis).

Gemeinnützige Empfängerorganisationen bitten wir, in ihrer Kommunikation auf das Steuerproblem hinzuweisen und insbesondere deutlich zu machen, wie die eigene soziale Arbeit von mehr Sachspenden profitieren würde, da dadurch Budgets entlastet und die eigene Arbeit so abgesichert oder gar ausgeweitet werden kann. Auch in Gesprächen mit dem Finanzamt zur eigenen Gemeinnützigkeit läßt sich hier Bewusstsein für die Thematik schaffen.

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