Abschrift des Artikels „Spenden statt wegwerfen – Das Kölner Start-Up Innatura geht neue Wege beim Spendensammeln“ aus Zukunft – Unternehmen der Zukunft Ausgabe 1/2013
Unternehmen der Zukunft
Spenden statt wegwerfen – Das Kölner Start-Up Innatura geht neue Wege beim Spendensammeln
Eine ehemalige Unternehmensberaterin sammelt neuwertige Sachspenden in großen Mengen und verteilt sie an gemeinnützige Organisationen, um deren Arbeit zu unterstützen.
Es klingt zunächst buchstäblich nach Soap Opera. Denn die Idee für Innatura entstand durch 100 Tonnen feinstes Marken-Shampoo. „Ein Ex-Kollege rief mich vor drei Jahren an und sagte: Ich habe hier 200.000 Flaschen auf dem Hof stehen,nur falsch etikettiert, hast du einen Abnehmer?“,erinnert sich Innatura-Gründerin Juliane Kronen. Bedingung: Die Ware sollte sofort abgeholt werden und durfte nicht auf dem Schwarzmarkt auftauchen. Kronen telefonierte sich die Finger wund – als Partnerin der Boston Consulting Group (BCG) und Ehrenamtliche verschiedener Organisationen verfügt die Kölnerin über eingroßes Netzwerk. Das geschenkte Shampoo wolltetrotzdem keiner; es wanderte in den Müll. „Ich dachte immer, Spenden sei günstiger als Vernichten. Aber in Deutschland kostet es nur 40 Euro, eine Tonne Sondermüll zu verbrennen. Das ist der eigentliche Skandal,“ sagt Juliane Kronen.
Die promovierte Betriebswirtin diskutierte daraufhin das Problem mit zwei BCG-Kollegen. Gemeinsam starteten sie eine umfangreiche Recherche und fanden heraus: Jedes Jahr werden in Deutschland Waren im Wert von sieben Milliarden Euro entsorgt, darunter auch neuwertige Waren, von denen die Hersteller zu viel produziert haben, oder bei denen lediglich die Verpackung leicht beschädigt oder veraltet ist. Rund ein Drittel dieser Waren gehört zu den Dingen, die gemeinnützige Organisationen dringend brauchen: Spielzeug, Körperpflegeprodukte, Haushaltswaren, Baumaterial, Waschmittel, Bürobedarf.
Bestellung und Lieferung der Waren frei Haus
Die Idee des Start-ups Innatura war geboren: Denn genau an dieser Stelle setzt Kronen mit ihrer gemeinnützigen GmbH, die im Juni 2013 operativ an den Start gegangen ist, an. Sie bringt nicht nur Angebot und Nachfrage zusammen, indem sie Sachspenden akquiriert, abholt, in einer eigenen Lagerhalle zwischenlagert und verteilt. Die Unternehmensberaterin will auch sicherstellen, dass die Spenden diejenigen Empfänger mit dem größten Bedarf erreichen. Letztere müssen sich dazu lediglich kostenlos bei Innatura registrieren, bestellen und bekommen die Waren dann frei Haus geliefert. Die Vermittlungsgebühr beträgt zwischen fünf und 20 Prozent des tatsächlichen Marktwerts. „Wer für etwas bezahlen muss, bestellt nur das, was er wirklich braucht, und natürlich decken wir damit auch unsere Kosten“, begründet Kronen das System. Trotzdem bleibe der Hebeleffekt für die Empfängerorganisationen enorm.
Zudem müssen die Empfänger vertraglich zusichern, dass sie die geschenkte Ware nur satzungsgemäß verwenden. Kronen: „Konkret heißt das, dass beim Schriftverkehr mit den Empfängern stets zwei Personen unsere E-Mails bekommen. Damit vermeiden wir, dass ein Mitarbeiter unbemerkt teure Kosmetika einsackt oder 100 Packungen Waschmittel bestellt und damit illegal handelt.“ Die Spender erhalten im Gegenzug detaillierte Berichte, wer ihre Waren erhält. Das Start-up profitiert bei der Organisation dieser kleinen, aber wichtigen Details von den Erfahrungen seiner Partnerorganisation InKindDirect in Großbritannien, die mit einem ähnlichen Konzept bereits seit 17 Jahren erfolgreich arbeitet. Schirmherr von InKindDirect ist kein Geringerer als Prince Charles.
Breite Palette an Spenden – Von Rouge bis Tattoos
Mittlerweile rennen die Spender, zu denen auch Großkonzerne der Konsumgüterindustrie wie Beiersdorf zählen – Kronen die Türe ein. „Ich wurde neulich von einem bekannten Spielzeughersteller gefragt, ob es nur Spielsachen mit beschädigter Verpackung sein dürften oder ob man auch reguläre Waren spenden könne.“ Bei der einen oder anderen Spende wundert sich die Betriebswirtin dennoch. „Neulich hat unsere Partnerorganisation einen großen Container sogenannter Temporary Tattoos bekommen. Da habe ich mich gefragt: Wer braucht das? Aber die jungen Mädchen in Jugendzentren stehen auf so was.“ Auch edle Lippenstifte, Rouges und Puder finden ihren Weg zu Frauenhäusern und Selbsthilfegruppen. Kronen: „Es geht eben nicht um Almosen, um die abgelegten Kleider anderer Leute, sondern darum, Bedürftigen mehr Selbstwertgefühl zu geben.“
Ironie des Schicksals: Einer der ersten Spender versorgte Innatura mit Shampoo. Bedenken, dass sie die Ware nicht los wird und teuer entsorgen muss, hat Kronen inzwischen keine mehr:
„Shampoo ist ein immer benötigtes Produkt. Bei mir wandert keines mehr in den Müll – ganz sicher.“
Text: Geraldine Friedrich
Unternehmen, die Produkte spenden möchten, sowie gemeinnützige Organisationen, die sich registrieren wollen, wenden sich bitte direkt an: Dr. Juliane Kronen juliane.kronen@web.de www.innatura.org