Abschrift des Artikels „Spenden statt wegwerfen“ aus Private Wealth vom April 2013.
Spenden statt wegwerfen.
Neuwertige Waren im Wert von sieben Milliarden Euro werden jedes Jahr in Deutschland vernichtet. Das wollte die ehemalige Unternehmensberaterin Juliane Kronen nicht mehr hinnehmen. Sie gründete die Firma Innatura, die diese Waren sammelt und an gemeinnützige Organisationen verteilt. Dabei kann sie auf die Unterstützung von Partnern wie der Bethmann Bank zählen.
Reiches Land, armes Land. „Laut dem aktuellen Armutsbericht der Bundesregierung sind in Deutschland über elf Millionen Menschen von Armut bedroht. Eine Million davon sind Kinder.
Außerdem gibt es 2,8 Millionen Arbeitslose und etwa 300 000 Obdachlose“, informiert Juliane Kronen: „Gleichzeitig werden jedes Jahr neuwertige Waren im Wert von mindestens sieben Milliarden Euro einfach vernichtet – weil Produkte falsch etikettiert wurden, aus dem Sortiment genommen werden oder weil zu viel produziert wurde.“
Warum, überlegt die Unternehmensberaterin, bringen wir nicht diejenigen, die nicht wissen, wohin mit ihren Waren, mit denen zusammen, die nicht wissen, woher sie die Güter für ihr tägliches Leben nehmen sollen? Angefangen habe die Geschichte ihrer Plattform Innatura mit dem Anruf eines ehemaligen Kollegen. „Bei ihm standen 80 Tonnen Marken-Shampoo im Hof. Die Flaschen waren falsch etikettiert worden. Nun musste er sie loswerden.“ Sondermüll zu entsorgen ist in Deutschland zwar sehr günstig, pro Tonne kostet dies gerade einmal höchstens 40 Euro. „Doch das wollte mein ehemaliger Kollege nicht“, erklärt Kronen, die damals noch Partnerin bei der Unternehmensberatung Boston Consulting war, „und ich wollte das auch nicht.“
Also bot sie das Shampoo verschiedenen gemeinnützigen Organisationen an. Doch obwohl sie über ein weitreichendes Netzwerk verfügt, fand sie keinen Abnehmer für eine derart große Menge. Letzten Endes landete die gesamte Ladung dann doch auf dem Müll.
Hätte es wirklich keinen anderen Weg gegeben? Die 50-Jährige, die sich immer schon auf vielfältige Art und Weise sozial und gesellschaftlich engagierte, beginnt mit Unterstützung durch ihren damaligen Arbeitgeber BCG zu recherchieren.
Und stößt dabei auf das englische Unternehmen InKindDirect.
Die Firma, deren Schirmherr Prinz Charles ist, wurde 1996 gegründet und setzt seither eine faszinierende Idee erfolgreich um: Sie bezieht neuwertige Waren als Sachspende und verteilt diese gegen eine kleine Vermittlungsgebühr an gemeinnützige Organisationen. Seit der Gründung hat InKindDirect so Waren im Wert von 120 Millionen Pfund umverteilt. Und die Not vieler Menschen auf der Insel zumindest gelindert.
„Was in England funktioniert, sollte doch auch in Deutschland klappen“, denkt sich Juliane Kronen. Und gründet Ende 2011 mit zwei ehemaligen BCGKollegen Innatura – eine Plattform, die wie InKindDirect als Vermittler zwischen Unternehmen und bedürftigen Organisationen fungieren sollte.
Einer der ersten Unterstützer ist die Bethmann Bank. Dort stieß diese Idee der langjährigen Bankkundin Kronen auf großes Interesse. „Innatura hat uns als Start-up der besonderen Art sofort begeistert“, erzählt Stephan Isenberg aus dem Vorstand der Bethmann Bank in Frankfurt. „Die Idee, zu spenden statt wegzuwerfen, ist innovativ. Denn sie verbindet den guten Zweck mit einem nachhaltigen wirtschaftlichen Modell.“
Gesellschaftliches Engagement hat bei der Bethmann Bank eine lange Tradition. „Schon die Gründer aus der Familie Bethmann haben eine Verantwortung für die Gesellschaft gefühlt und sich sozial engagiert“, erzählt Isenberg. Und auch heute gibt es an allen zehn Standorten in Deutschland Aktivitäten, etwa die Mithilfe der Bankmitarbeiter am Aufbau eines Kindergartens. „Diese regionalen Initiativen sind uns wichtig. Wer selbst an einem Sozialprojekt mitarbeitet, der erlebt auch, dass persönlicher Einsatz den entscheidenden Unterschied machen kann.“
Jetzt eröffnet sich die Möglichkeit, überregional bei einer wirklich nachhaltig handelnden Firma unterstützend zu wirken. „Zu Beginn haben wir Innatura vor allem dabei geholfen, die Idee des Projekts in die Öffentlichkeit zu tragen und es bekannt zu machen“, sagt Isenberg. Schnell wird Juliane Kronen allerdings klar, dass es bei der Durchführung ihrer Idee doch einige Hindernisse gibt. Da sind zunächst einmal die Bedenken der Unternehmen, die Sachspenden liefern könnten. „Sie hatten die Sorge, dass ihre Produkte so in den Schwarzmarkt gelangen könnten. Das würde sich dann vielleicht negativ auf das Image der eigenen Marke auswirken.“
Dazu kommt, dass die Vernichtung der Waren in Deutschland unter Umständen sehr viel billiger ist als eine Sachspende. „Denn wenn eine Firma ein Produkt aus dem Regal holt und es spendet, fällt darauf Umsatzsteuer an. Und die dabei maßgebliche Bezugsgröße ist eben nicht der Buch- oder Restwert, sondern der Einkaufspreis oder, wenn das Unternehmen die Ware selbst hergestellt hat, die Herstellkosten. Das macht Sachspenden richtig teuer.“ Zumindest die Bedenken bezüglich des Produktmissbrauchs kann sie schnell zerstreuen. „Wir können durch ein ausgefeiltes Logistiksystem, bei dem wir den Fluss der Waren laufend kontrollieren, dafür sorgen, dass die gespendeten Waren nicht anderweitig verkauft werden oder auf den Schwarzmarkt gelangen.“
Das Umsatzsteuerproblem kann sie zwar nicht lösen. Aber sie kann potenziellen Spenderfirmen zusätzliche Vorteile aufzeigen. „Diese können ihre Abfallmengen reduzieren und dadurch ihre Umweltziele schneller erreichen. Und ihr Engagement kann eine wertvolle Aktivität im Hinblick auf eine nachhaltige, soziale und umweltfreundliche Unternehmenspolitik sein.“
Die Vermittlung der Waren dagegen ist denkbar einfach. Die spendenwilligen Unternehmen Innatura ab. Juliane Kronen und ihre Mitarbeiter entscheiden dann, ob die jeweilige Sachspende zum Bedarf passt.
Nach dem Eingang werden die Waren gelagert und können nun von gemeinnützigen Einrichtungen, die sich dort registrieren müssen, je nach Bedarf bestellt werden. „Der Empfänger zahlt nur eine Vermittlungsgebühr, die zwischen fünf und 20 Prozent des Warenwerts liegt“, so Kronen. Also deutlich weniger, als wenn die Organisation vergleichbare Produkte im Supermarkt kaufen müsste. Innatura liefert die Ware dann direkt an die gemeinnützige Organisation.
Seit dem Start im August 2013 hat Innatura so schon Waren im Wert von 100 000 Euro über die Plattform vertrieben. Ein großartiger Erfolg. Aber natürlich erst ein Anfang. Jetzt gilt es, die Plattform auszubauen, an der Bekanntheit zu arbeiten und weitere potenzielle Spender zu finden. „Natürlich unterstützt mich dabei mein Netzwerk, das ich bei meiner Tätigkeit als Unternehmensberaterin aufgebaut habe“, sagt Kronen. Auch die Verantwortlichen der Bethmann Bank geben Hilfestellung. „Wir haben sehr viele Kunden aus dem unternehmerischen Bereich“, erläutert Stephan Isenberg. „Denen bringen wir diese Idee nahe und können so dazu beizutragen, dass Innatura Sachspenden zufließen.“
Bleibt noch ein finanzielles Problem. „Die Errichtung einer solchen Plattform, die Anmietung einer Lagerhalle für die Waren, die Beschäftigung von Mitarbeitern sowie die Öffentlichkeitsarbeit sind mit enormen Kosten verbunden“, erklärt Kronen. „Um unsere laufenden Kosten für die Lagerhaltung, für das Personal, für die IT-Infrastruktur und das Marketing zu decken, brauchen wir einen jährlichen Umsatz von rund zwei Millionen Euro.“ Dieser Break-even ist für das dritte Jahr angepeilt.
Bislang halfen Geldspenden, die Einbringung eigener Mittel sowie eine Anschubfinanzierung durch die auf die Unterstützung von Sozialunternehmen spezialisierte Firma Bonventure der Unternehmerin. Jetzt ist sie auf zusätzliche Mittel angewiesen.
Sich darüber Gedanken zu machen, fällt natürlich in den klassischen Know-how-Bereich der Bethmann Bank. „Ein Sozialunternehmen“, erläutert Isenberg, „könnte über Impact Investing finanziert werden. Bei dieser Anlageform stiftet ein Investor nicht nur einen positiven Nutzen für die Gesellschaft oder die Umwelt, sondern erhält auch die Chance auf eine gute Rendite.“
Da Innatura aber eine gemeinnützige GmbH ist, scheidet dieser Weg aus. „Wir werden alternative Konzepte entwickeln, über die sich Spender und Anleger finanziell engagieren können“, erläutert Isenberg, „dazu zählt zum Beispiel die sogenannte Hebelspende“ (siehe Kasten links). Finanzierungsformen, die auch für Juliane Kronen interessant sind. „Schließlich ist es mein Ziel, in fünf Jahren Waren im Wert von etwa 50 Millionen Euro umzusetzen.“ Dann sollen etwa 20 Mitarbeiter für Innatura arbeiten. „Und wir wollen als Drehscheibe zwischen Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen bekannt sein, als Problemlöser, der zudem das Müllaufkommen reduziert.“
Und noch etwas wünscht sie sich für die Zukunft: eine spendenfreundlichere Gesetzgebung. „Ich denke, dass der Gesetzgeber eine Lösung finden muss, damit auch Sachspenden – wie Lebensmittelspenden – von der Umsatzsteuer befreit werden können“, fordert Kronen. Wenn Unternehmer und Unternehmerinnen wie Juliane Kronen gemeinsam mit sozial engagierten Investoren antreten, etwas zur Linderung der Not in diesem Land beizutragen, sollte der Staat ihnen zumindest keine Knüppel zwischen die Beine werfen.
So unterstützen Investoren Sozialunternehmer.
Für Stiftungen wie auch für private Investoren gibt es neben Spenden weitere Möglichkeiten, um sich bei sozialen Unternehmen zu engagieren. Stephan Isenberg aus dem Vorstand der Bethmann Bank nennt Beispiele.
// 01. Mission Investing
Direkte unternehmerische Beteiligung, die gleichberechtigt neben einem finanziellen Ertrag einen gesellschaftlichen Impact erzielen soll. „Für Stiftungen kann dieser Weg interessant sein, da diese direkt in Firmen investieren können, die dem Stiftungszweck entsprechen“, erklärt Isenberg.
// 02. Hebelspende
Sozialunternehmen finanzieren sich oft durch hybride Finanzierungsformen, also eine Kombination von philanthropischem und wirtschaftlich orientiertem Kapital. Um eine Spende nachhaltiger zu gestalten, kann diese als Hebel eingesetzt werden. „Das heißt, die Spende wird zur Finanzierung eines Kredits als Eigenkapital herangezogen“, erläutert Isenberg. So könne mit einem kleineren Betrag ein größerer finanziert werden.
// 03. Umsatzbeteiligung
Ein in Deutschland neues Finanzierungsmodell speziell für Sozialunternehmen wurde von der Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship (FASE) entwickelt. Beim sogenannten Umsatzbeteiligungsmodell teilen sich der soziale Investor und das Sozialunternehmen das unternehmerische Risiko und auch die Chance auf Rendite. Denn die Zahlungsströme hängen von der Umsatzhöhe ab. Damit wird die Rückzahlung für den Sozialunternehmer deutlich flexibler. Dies ist insbesondere dann interessant, wenn das Sozialunternehmen aus strukturellen Gründen begrenztes Gewinnpotenzial hat, aber dennoch eine erfolgsabhängige Rendite gezahlt werden soll.
// 04. Gesellschafterdarlehen
Ferner können sich Investoren auch als Mitgesellschafter engagieren und im Zuge dessen ein Gesellschafterdarlehen vergeben.
Sonderveröffentlichung:
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