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In Ausgabe 17 vom 18. April 2018 der Zeitschrift „Bella“ ist diese Reportage über innatura erschienen.

Text: Carolin Ostrowski
Fotos: Stefan Gregorowius

Wenn Hilfe im Karton kommt …

Überschusswaren, Saisonartikel, Produkte mit falschen Füllmengen – all das würde ohne Juliane Kronen (54) auf dem Müll landen. bella hat sie einen Tag lang begleitet.

Er ist groß, braun und so schwer, dass man ihn mit der Hand kaum anheben kann: ein Karton bis oben gefüllt mit Zahnpastatuben. Er ist einer von Hunderten Kartons, die im Hochregallager des Unternehmens innatura in Köln stehen. Gefüllt mit Hygieneartikeln, Spielzeug, Küchengeräten, Bekleidung oder Schuhen. Das ist erst einmal nichts Ungewöhnliches – ein Lager eben. Doch: Ohne Juliane Kronen (54) wären all die Sachen einfach im Müll gelandet. „Wegen Fehletikettierungen, beschädigten Verpackungen oder falschen Füllmengen vernichten Unternehmen die Waren einfach, obwohl sie noch tipptopp in Ordnung sind“, erklärt sie uns, während sie uns durch das Lager führt.

Die Waren kommen da an, wo sie gebraucht werden

Dem stellt sich Juliane Kronen mit ihrem Unternehmen innatura (www.innatura. org) entgegen. innatura sorgt dafür, dass diese Dinge nicht weggeworfen werden, sondern bei den Menschen ankommen, die sie dringend brauchen. „Wir vermitteln die Waren an gemeinnützige Einrichtungen der Kinder­, Jugend­ und Familienhilfe, der Obdachlosen­ und Flüchtlingshilfe“, sagt die Gründerin. „Mit einem Klick auf unsere Homepage können sie genau die Menge an Produkten bestellen, die sie benötigen. Wir nehmen dafür lediglich eine Vermittlungsgebühr von 5 bis 20 Prozent des Originalpreises. Damit decken wir nicht die Lager­ und Personalkosten.“ Etwa 60 Spenderunternehmen, darunter Amazon oder Beiersdorf, sind bereits an Bord. So kann innatura etwa 2500 gemeinnützige Organisationen beliefern.

Juliane Kronen ist eine Frau, die zupackt, etwas verändern möchte. Schon in ihrem früheren Job als Unternehmensberaterin hatte sie mit Hilfsorganisationen zu tun. Als ein Hersteller 200 000 falsch beschriftete Shampooflaschen loswerden musste, rief er deshalb sie an. Er gab ihr zwei Tage Zeit, doch auch nach vielen Telefonaten fand sie für eine so große Menge keinen Abnehmer. Das Shampoo wurde vernichtet. „Da wurde mir klar: Es braucht eine Drehscheibe, ein Zwischenlager, damit gemeinnützige Organisationen bedarfsgerechte Spenden erhalten können.“ Die Idee für innatura war geboren. Juliane Kronen hängte ihren alten Job an den Nagel. 2013 ging innatura an den Start. „In Großbritannien und Frankreich gab es längst ähnliche Unternehmen. Komisch, dass in Deutschland niemand früher darauf gekommen ist. Die Idee ist so einfach und genial“, sagt sie. Denn durch innatura konnten bisher jährlich 400 Tonnen Abfall vermieden und für soziale Zwecke verwendet werden.

Damit wir sehen können, wo die gespendeten Produkte zum Einsatz kommen, dürfen wir heute eine Lieferung überbringen. Vom Kölner Lager fahren wir mit Kartons voller Zahnpasta und Duschgel im Gepäck ins Moritzhaus, eine familienähnliche Einrichtung etwa 100 Kilometer entfernt. Hier wohnt Leiter Ralf Moritz mit Leon, Ahmad, Samuel und Fabian – vier Jungs, die aus verschiedenen Gründen nicht in ihrer Familie leben können. „Als ich durch einen Freund von innatura erfahren habe, war ich sofort begeistert“, sagt Ralf Moritz. Vor vier Jahren hat er das erste Mal bestellt – und macht das bis heute. Meistens sind es Schulmaterialien, Hygieneartikel und Putzmittel, die im Moritzhaus gebraucht werden. „Wir sparen damit etwa 80 Prozent unserer alltäglichen Kosten ein“, erläutert Ralf Moritz, während die Jungs das Auto ausladen. Die vier wissen genau, wie sehr sie von der Zusammenarbeit mit innatura profitieren. Denn mit dem Geld, das für Zahnpasta, Duschgel und Co. ausgegeben worden wäre, können sie jetzt Ausflüge oder Urlaube machen. Auf dem Esstisch im hellen Wohnzimmer öffnen sie voller Vorfreude die Kartons und räumen den Inhalt in die Vorratsschränke.

Wir beobachten sie dabei und müssen daran denken, was Juliane Kronen uns bei der Abfahrt im Lager noch zugerufen hatte: „Es ist schön, wenn Hilfe da ankommt, wo sie benötigt wird.