
Das neue Magazin des Verlagshaus Busche „greenup. Nachhaltiger leben“ hat in seiner Frühjahrsausgabe einen Bericht über innatura gebracht. Abschrift des Textes von Cornelia Trautmann.
Spenden statt wegwerfen
Jedes Jahr werden in Deutschland Waren im Wert von sieben Milliarden Euro weggeschmissen. Putzmittel, Körpercreme, Windeln, Sportschuhe … Neuwertige Produkte, die überproduziert oder falsch etikettiert wurden. Können diese nicht noch genutzt werden?
Alles fing mit einer Flasche Shampoo an. Nein, mit 200.000 Flaschen, die falsch etikettiert und damit für den Verkauf unbrauchbar waren. Sie wurden Juliane Kronen, damals noch Unternehmensberaterin, für einen guten Zweck angeboten. Juliane Kronen war für ihr soziales Engagement im Kollegen- und Freundeskreis bekannt. Doch trotz ihres großen Netzwerkes schaffte sie es nicht, diese Überschussware an den (bedürftigen) Mann zu bekommen. Gemeinnützige Organisationen sahen sich außerstande, die Logistik und die Lagerung für eine solch große Spende zu stemmen.
Bei dem Versuch die Shampooflaschen sinnvoll zu verteilen, stieß die ehemalige Unternehmensberaterin auf erschreckende Zahlen: Sieben Milliarden Euro werden jedes Jahr praktisch vernichtet. Für Dinge, die jeder braucht und gerade bei gemeinnützigen Organisationen Löcher in den knappen Geldbeutel reißen. „Wenn ich nur an die Flüchtlingsarbeit denke, was dort an Shampoo, an Körperpflegeprodukten gebraucht wird. Dort fehlen die Produkte und auf der anderen Seite werden sie täglich entsorgt. Es musste doch möglich sein, diese beiden Stellen zusammen zu bekommen“, dachte sich die sozial engagierte Juliane Kronen und setzte sich an die Lösung dieses Problems. Sie gründete „innatura“ – ein gemeinnütziges Unternehmen, das fabrikneue Sachspenden bedarfsgerecht an gemeinnützige Vereine vermittelt. Eine Vorbildorganisation gab es schon, die Hilfsorganisation „in kind direct“. Prinz Charles, heute Schirmherr über „innatura“, hatte die englische Version bereits vor 20 Jahren ins Leben gerufen.
Ende des Jahres 2013 war es dann soweit: Im Zentrallager „innatura“ rollten die ersten Produktspenden an. Seitdem ist viel passiert. „innatura“ findet großen Zuspruch. Nachhaltigkeit, CO2-Bilanz, aber auch „Corporate Social Responsibility“ sind Schlagwörter, die in die Unternehmenskultur Einzug gehalten haben. Wenn nur das deutsche Steuerrecht nicht wäre. Sachspenden müssen wie ein Umsatz verbucht werden, so dass der Unternehmer teilweise bis zu 25mal mehr bezahlen muss, als wenn er die Ware einfach wegschmeißt. Und doch spenden immer mehr Unternehmen lieber als zu vernichten. Juliane Kronen: „Was gibt es Nachhaltigeres, als bereits vorhandene über schüssige Waren vor dem Wegwerfen zu bewahren und an Organisationen zu geben, die sie brauchen?“
Flüchtlinge brauchen Shampoo
So eine Organisation ist ProMensch Kamen, in der unsere Redakteurin Cornelia Trautmann sozial engagiert ist. Die Flüchtlingskrise hat viele Hilfsorganisationen auf den Plan gebracht. So auch in der westfälischen Kleinstadt Kamen, wo sich im Herbst 2015 der „ProMensch Kamen e.V. – Hilfe für Geflüchtete“ gründete. In Windeseile wurde im geordneten Chaos alles getan, um die Geflüchteten in der Stadt willkommen zu heißen und ihnen das Nötigste zum Leben bereitzustellen. Heute, über ein Jahr später, sind wir mit unserer Organisation ein gutes Stück weitergekommen. In einem Beratungsbüro helfen Ehrenamtliche schon fast professionell bei der Orientierung im Verwaltungsdschungel, bei der Suche nach Deutschkursen oder Sportvereinen. Um die Integration voranzutreiben und den Kamener Bürgern Berührungsängste zu nehmen, wurden jede Menge Projekte auf die Beine gestellt, wie zum Beispiel ein Kreativwettbewerb und Fragestunden in Schulen oder ein großes Sommerfest für alteingesessene Bürger und Neuankömmlinge. Immer gradwandernd ob denn die Finanzierungen solcher Projekte zu stemmen seien. Als gemeinnütziger Verein, der selbst auf monetäre Unterstützung angewiesen ist, ist man auf der ständigen Suche nach Spenden.
Shampoo-Spenden existieren
Eine Organisation wie „innatura“, die neuwertige Sachspenden an gemeinnützige Vereine vermittelt, hört sich wie ein kleines Schlaraffenland an. „innatura“ verspricht fabrikneue Produkte zu einem Zehntel des Warenwertes und vor allem in der benötigten Anzahl, auch in Kleinstmengen. Nur anmelden, aussuchen und schicken lassen. Super.
Ganz einfach. Zunächst geht auch alles fix. Die Registrierung als gemeinnütziger Verein ist innerhalb von 24 Stunden abgesegnet und wir dürfen erstmalig in die angebotenen Produktlisten schauen. Hatten wir vor einem Jahr nicht händeringend nach Turnschuhen gesucht? Und Putzmittel in Hülle und Fülle. Vor einigen Monaten noch mussten wir unsere Vereinskasse damit strapazieren. Für kleines Geld werden Shampoo, Zahnbürsten, Gesichtscreme, Duschgel, Deoroller, Rasierschaum oder Babywindeln angeboten, alles wichtige Dinge zur Körperpflege, aber nicht im Kamener Vereinsbudget. Außerdem möchte unser Verein den Neubürgern das Gefühl von Wertschätzung vermitteln. Wir wollen nicht
alles verschenken. Aber ein Weiterverkauf ist laut den AGB von „innatura“ nicht erlaubt. Sackgasse. Es musste doch möglich sein, das Shampoo an den Bedürftigen zu bringen.
Der Weg ist schaumig
Ein Anruf bei „innatura“ und schon wurden Lösungswege aufgezeigt. Denn für bestimmte Einrichtungen waren bereits Sonderregelungen geschaffen. Tafelläden und Sozialkaufhäuser dürfen die Produkte zum Selbstkostenpreis weitergeben, wenn sie garantieren können, dass die gespendeten Sachen wirklich nur an Hilfebedürftige gehen. Wir überlegten innerhalb des Vereins, besprachen uns mit „innatura“ und schufen ein Konzept. In unserer allwöchentlichen Begegnungsstätte des Café Internationals sollte ein kleiner
Verkaufsstand den Geflüchteten die gespendete Ware anbieten. Die Rahmenbedingungen waren geklärt, Sonderverträge geschlossen, Produktlisten gesichtet und schließlich die Bestellung abgegeben. Schwup, schon am Folgetag kam die Angebotsliste mit Preisen und Änderungen. Denn nicht immer waren all die Produkte noch vorhanden, die wir uns vor einer Woche ausgesucht hatten. Aber Alternativen waren auch sofort aufgezeigt. Wir brauchten nur noch bestätigen und „innatura“ stellte die Ware zum Versand oder Abholung zusammen. Ein Wagen zum Bersten gefüllt mit Windeln, Zahnpasta, Rasierern und vielem mehr machte sich auf nach Kamen.
Sozialer Kiosk
Am Sonntag war es dann soweit: „My beautiful social kiosk“ wurde eröffnet. Sofort fanden sich zwei kleine Helfer. Die zwölfjährige Amani und ihr kleiner Bruder Hasan klebten begeistert kleine Preisschilder an die Produkte, trugen die Namen der Käufer in eine Liste ein und übersetzten ins Arabische oder Kurdische, wo es nötig war. Die kleine Auswahl an Körperpflegprodukten kam gut an. Unsere neuen Mitbürger wussten sehr wohl, den eigentlichen Wert der Ware einzuschätzen. Wir haben geholfen, Menschen glücklich zu machen und gute Produkte vor der Mülltonne zu bewahren. Ein wirklich tolles und sinnvolles Konzept von „innatura“.